Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 14: Thüringen
- Den meisten Einrichtungen fehlt eine strukturelle Grundförderung.
- Es gilt, die Soforthilfen in eine langfristige Unterstützung übergehen zu lassen.
Auf Landesebene gibt es in Thüringen drei zentrale Förderinstrumente für soziokulturelle Einrichtungen und Initiativen: die allgemeine Projektförderung, die Investitionsförderung und die Personalförderprogramme für kulturelle Leitungskräfte und jugendkulturelle Mitarbeiter. Gefördert werden Einrichtungen und Projekte, die ein erhebliches Landesinteresse haben. Hinzu kommt der von der LAG Soziokultur verwaltete Förderfonds FEUERWEHRTOPF für kleinere Projekte und Notfälle.
Zwar hat die rot-rot-grüne Landesregierung in der vergangenen Legislatur einiges unternommen, um den Kulturbereich zu stärken – für die Soziokultur hat sich jedoch wenig verbessert. Drei Hauptprobleme lassen sich in der derzeitigen Förderpraxis ausmachen:
(1) Sie stützt sich maßgeblich auf Projektförderung und wird so der Dauerhaftigkeit des soziokulturellen Engagements nicht gerecht. Notwendig ist daneben eine variabel einsetzbare Grundförderung, wie sie in anderen Bundesländern praktiziert wird.
(2) Viele Kommunen ziehen sich aufgrund schwieriger Haushaltslagen weiter aus der finanziellen Kulturförderung zurück. Soziokulturelle Einrichtungen sind so auf die Landesförderung angewiesen, die aber nicht für alle greift.
(3) Die Personalförderprogramme des Landes können den tatsächlichen Bedarf der freien Kultureinrichtungen
nicht decken. Die Programme müssen neu ausgerichtet werden. Das hat zur Folge, dass die Soziokultur trotz ihrer auch in Thüringen gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung seit Jahren unterfinanziert ist. (Siehe das Forderungspapier „ES REICHT – NICHT!“ der LAG Soziokultur zur Thüringer Landtagswahl 2019 unter www.soziokultur-thueringen.de)
Nach Ausbruch der Corona-Pandemie leitete die Landesregierung sehr schnell Unterstützungsmaßnahmen ein. Neben dem Soforthilfeprogramm für Unternehmen und Solo-Selbstständige richtete sie am 15. April auch ein Soforthilfeprogramm für gemeinnützige Organisationen ein, in dem Kulturvereine und soziokulturelle Zentren Anträge auf nicht-rückzahlbare Zuschüsse stellen konnten. Auch hinsichtlich der Landesförderungen kündigte das Land einen flexiblen und kulanten Umgang an, der mit einem weitgehenden Verzicht auf Rückforderungen verbunden sein soll.
Auch die LAG Soziokultur reagierte schnell auf die ersten Veranstaltungsabsagen. Ab dem 11. März stellte sie auf ihrer Website fortlaufend aktualisierte Informationen und Handlungsempfehlungen für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende bereit. In der Auswertung der Mitgliederbefragung des Bundesverbandes Soziokultur verwies die LAG am 20. März auf die dramatischen Auswirkungen auf die freie Kulturszene in Thüringen und forderte schnelle und unbürokratische Unterstützung. Parallel dazu erfolgte eine permanente Abstimmung mit der Politik und Verwaltung auf Landesebene. Die LAG kommunizierte Bedarfe und Probleme und führte mehrere Mitgliederabfragen dazu durch. Bei den Verhandlungen zum Soforthilfeprogramm für gemeinnützige Organisationen war sie intensiv eingebunden.
Die Corona-Pandemie zeigt deutlich, wie fragil die Finanzierungsstrukturen der soziokulturellen Einrichtungen in Thüringen sind. Hauptsächlich von Veranstaltungseinnahmen, Ehrenamt und Projektförderungen abhängig, fehlt den meisten Einrichtungen eine strukturelle Grundförderung. 58 Prozent der LAG-Mitglieder schätzen die gegenwärtige Situation als existenzbedrohend für sich ein. Eine stärkere finanzielle Beteiligung der Kommunen wird durch die Corona-Folgen eher unwahrscheinlicher. Es gilt nun, die Soforthilfen in eine langfristige strukturelle Unterstützung übergehen zu lassen. Dafür will der Freistaat aus dem Sondervermögen 35 Millionen Euro einsetzen. 2,7 Millionen Euro davon sind für die Soziokultur eingeplant. Das ist mehr als das Vierfache des bisherigen Landesetats für soziokulturelle Projekte und Investitionen!