Soziokultur
- Soziokultur ist eine programmatische Bezeichnung für Diskurse, Inhalte, Praxis und Organisationsformen, die gesellschaftliches Leben und kulturellen Ausdruck aufeinander beziehen.
- Soziokultur öffnet sich unterschiedlichsten Auffassungen von Kultur, fördert durch kulturelle Beteiligung bürgerschaftliches Engagement und die kreativkulturellen Kompetenzen vieler – unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft – und sucht damit Antworten auf die Frage, wie wir leben wollen.
- Die Geschichte der soziokulturellen Arbeit und Einrichtungen begann in den 1970er Jahren. Ursprünglich aus einer urbanen Bewegung für alternative kulturelle Ausdrucks- und Vermittlungsformen entstanden, die auf gesellschaftliche Veränderung drängte, sind soziokulturelle Zentren und Initiativen in Groß- und Kleinstädten wie auch in ländlichen Räumen mittlerweile fester Bestandteil der Kulturlandschaft. Die vielfältige und vielschichtige Kulturarbeit wird von den Akteuren in soziokulturellen Zentren, Netzwerken und Initiativen geleistet sowie kulturpolitisch auf Landes- und Bundesebene vertreten.
Die kreative DNA unserer Gesellschaft
Soziokultur wirkt
Soziokultur wirkt in viele Bereiche, die nicht im engeren Sinn zum Kulturbereich gehören, wie Kinder- und Jugendarbeit, Bildung, Soziales, Siedlungsentwicklung und Umwelt.
Gut vier Jahrzehnte nach der Gründung ihres Bundesverbandes Soziokultur e.V. (als Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.) hat die Soziokultur längst nicht mehr den Ruf einer laienhaften Subkultur. Heute ist Soziokultur im positiven Sinne Mainstream. „Wer hat´s erfunden?!“, möchte man rufen angesichts vieler Veranstaltungen von Politik und Hochkultur, auf denen Methoden und Praktiken, die in der Soziokultur seit Jahren tausendfach, bundesweit, unaufgeregt und professionell erfolgreich Anwendung finden, als große Neuerungen gefeiert werden.
13,5 Millionen Besuche im Jahr 2017
Ende der 1970er Jahre entstanden, ist Soziokultur die programmatische Bezeichnung für Diskurse, Inhalte, Praxis und Organisationsformen, die gesellschaftliches Leben und kulturellen Ausdruck aufeinander beziehen. 27.500 Überzeugungstäter*innen, darunter 36% freiwillige Engagierte, 23% Ehrenamtliche und 41% teilweise mager bezahlte Festangestellte sind derzeit der Motor eines alternativen Kulturbetriebes und gutes, den es sonst in unserer Gesellschaft nicht gäbe. 13,5 Millionen Menschen fühlen sich jährlich davon angesprochen.
Sind die einzelnen soziokulturellen Zentren und Initiativen auch sehr verschieden, so haben sie doch eines gemeinsam: Sie sind Orte für eine eigenständige Kultur und von proaktivem Gestaltungswillen geprägt. Ihre Konzepte und Projekte haben die Kulturzentren im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt.
Aktive Beteiligung steht im Vordergrund
Heute finden sie sich ebenso im Quartiersmanagement von Stadtteilen, in Kooperationsprojekten mit Schulen, Nachbarschaftsinitiativen wie auch in der interkulturellen Arbeit der Hochkultur wieder. Nicht Produktion und Konsum von Kunst und Kultur stehen bei der Soziokultur im Vordergrund, sondern die aktive Beteiligung. „Besonders in ländlichen Regionen ist sie das Mittel, Gesellschaft vor Ort mitzugestalten“, ist auch Professor Wolfgang Schneider, Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, überzeugt. Einst sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages ist er nicht erst seitdem Verfechter von Soziokultur. Derer werden immer mehr, aus gutem Grund.
„Vielfalt. Aus Prinzip“ ist das Motto von Soziokultur. Sie webt nachhaltige Netzwerke, praktiziert Kunst und Kultur zum Anfassen und Selbermachen für Menschen aller Schichten – und zwar als Ausdruck gesellschaftspolitischer Einflussnahme zwischen Genres, Generationen.
Der Bundesverband
1979 beschlossen einige Einzelzentren, unter ihnen die Börse (Wuppertal), die Lagerhalle (Osnabrück), das damalige KOMM (jetzt Kulturzentrum K4, Nürnberg) und der Pavillon (Hannover), die „Bundesvereinigung soziokultureller Zentren e.V.“ ins Leben zu rufen. Später entstanden die Landesarbeitsgemeinschaften, die aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik und der sprunghaften Zunahme von Zentrumsgründungen schnell an Einfluss und Stärke gewannen. In den 1980er Jahren wurde eine Geschäftsstelle aufgebaut, die mehrfach umzog. Seit 2003 hat der Verband seinen Sitz in Berlin Mitte.
Weltanschauungen, Geschichte und Zukunft, Profis und Laien, Wirtschaft und Freizeit: Der Bundesverband Soziokultur e.V. bringt durch sein Wirken und in zahlreichen Kooperationen ganz selbstverständlich verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens zusammen. Als Dachverband vertritt er seine Mitglieder – 14 Landesarbeitsgemeinschaften mit über 600 Kulturzentren und initiativen – in zahlreichen Gremien. Ziel ist es, auf politischer Ebene den Blick für die flexibel agierenden und gestaltenden Kulturzentren zu schärfen. „Sie sind als ‚kreative DNA’ entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft“, sagt Bundesgeschäftsführerin Ellen Ahbe.
Also alles gut? Mitnichten.
Mit ihrer lokalen Arbeit und ihrem ungebrochenen Engagement haben die Akteure der Soziokultur eine Vielzahl Musiker*innen, Schauspieler*innen, bildende Künstler*innen, Kabarettist*innen hervorgebracht. Sie alle haben auf den kleinen Bühnen der Zentren begonnen und ihr Publikum im unmittelbaren Umfeld gefunden. Einige von ihnen sind längst international oder europaweit bekannt. Auch das bewirkt Soziokultur! Also alles gut? Mitnichten. „Leider lassen die ökonomischen Rahmenbedingungen für die meisten Zentren immer noch zu wünschen übrig“, unterstreicht Ahbe. „Während die Kulturetats auf Bundes- und Landesebene wachsen, sinkt die öffentliche Förderung soziokultureller Zentren.“ Kunst und Kultur seien auf Augenhöhe mit Technik und Forschung die Bereiche, die unsere Gesellschaft prägen. Hier werden Freiräume geschaffen, um sich mit relevanten Fragestellungen unserer Zeit kreativ auseinanderzusetzen.

Bauhaus-Parade zieht durch Weimar, Studio Mosaik, Foto © Henry Sowinski
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© Swen Gottschall

Kassel 2019, Quartierspaziergang UTOPOLIS vor dem Kulturzentrum Schlachthof, © Nikolaus Hausser
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