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04.04.2020

#DEMOKRATIE, Kultur und Politik, Meinung, Netzwerk Soziokultur

Solidarisches Glänzen gegen rechts

Das Bündnis DIE VIELEN setzt sich gegen Rechts und für demokratischen Zusammenhalt ein

Von: Corinne Eichner

Das Bündnis DIE VIELEN, ein Zusammenschluss gegen Rechts, setzt sich für die Freiheit der Kunst ein. Eine glänzende Reaktion auf rechtsextreme Umtriebe gegen die Kultur der Freiheit sind DIE VIELEN, ein bundesweites Bündnis von Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, darunter auch viele soziokulturelle Zentren. Nach etwas über einem Jahr des Bestehens haben sich mittlerweile 31 Regionen und Städte mit eigenen Erklärungen dem Bündnis angeschlossen. Dahinter stehen Tausende Kultureinrichtungen und Kulturschaffende. Für den 8. und 9. Mai 2020 sind bundesweit erneut „Glänzende Aktionstage“ geplant.

Soziokultur ist bevorzugtes Ziel rechter Attacken ...

Rechtsextreme Populisten sind auf dem Vormarsch. In Deutschland, Ost wie West, genauso wie in vielen anderen Ländern. Sie verschieben gezielt die Grenzen des Sagbaren, sie drehen mit verbalen wie physischen Aggressionen bewusst an der Gewaltspirale und treiben mit perfiden Strategien Medien, Parteien und Öffentlichkeit vor sich her.

Dass die Kultur dabei besonders in ihrem Fokus steht, ist weder neu noch Zufall. Es gibt zahllose Beispiele für die Angriffe der Rechten aus allen Kultursparten. Veranstaltungen werden gestört, es wird versucht, in Programme und Spielpläne einzugreifen, eine Renationalisierung der Kunst zu erreichen durch parlamentarische Anfragen nach der Nationalität von Beschäftigten und Künstler*innen, es wird gegen die Freiheit der Kunst polemisiert.

Gerade soziokulturelle Zentren haben auch schon Anschläge erlebt, die von physischer Gewalt geprägt waren oder Mitarbeitende mussten Morddrohungen erleben. Weil sie das Feindbild der „linksversifften“ Kultureinrichtungen in besonderem Maße bedient und genau das Wertesystem hochhält, das die Rechten unbedingt zerstören wollen, ist die Soziokultur bevorzugtes Ziel von rechten Attacken.

Weil die Soziokultur das Feindbild der „linksversifften“ Kultureinrichtungen in besonderem Maße bedient, ist sie bevorzugtes Ziel von rechten Attacken.

Der Kulturbereich ist hart umkämpft. Denn rechte Ideolog*innen sehen in ihm das Epizentrum des Wertesystems. Und die hier entstehenden Ideen wirken tief in die Gesellschaft hinein. Von der kulturellen Hegemonie versprechen sich die extremen Rechten die allmähliche dauerhafte Veränderung der gesellschaftlichen Wertevorstellungen und damit den Zusammenbruch der Werteordnung, in der wir leben.

... und gleichzeitig besonders verletzlich

Während die Soziokultur besonders im Fokus aggressiver rechter Vorstöße steht, ist sie gleichzeitig besonders verletzlich. Denn sie ist weniger sichtbar und verfügt über geringere Ressourcen als viele große Einrichtungen der Hochkultur. Und weil sie deshalb auch innerhalb der Kultur mitunter weniger ernst genommen wird. Schon bei der Bildung der regionalen Bündnisse war es für soziokulturelle Einrichtungen nicht immer selbstverständlich, mitreden zu können.

Es geht um alle: Dann muss Soziokultur auch ernst genommen und gesehen werden!

Beim Ratschlag der VIELEN in Nürnberg im vergangenen November kamen über 200 Aktive aus Deutschland und Österreich zusammenkamen. Einige Vertreter größerer Theater nahmen die Soziokultur als Kultursparte erst gar nicht wahr. Dem Credo der VIELEN „Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ läuft dies diametral entgegen.

Bündnis der Vielen als Chance für die Kultur

Doch in dem Bündnis liegt auch die Chance, dass der Graben zwischen Teilen der Kultur sich verringert. Denn ein Bündnis der Kulturschaffenden soll nicht nur nach außen wirken, sondern auch im Inneren Veränderungen hervorbringen . Teil aller Erklärungen der VIELEN ist die Selbstverpflichtung, die alle Institutionen mit unterzeichnet haben und die zu gegenseitiger Solidarität mit Kultureinrichtungen und Akteur*innen der Künste, die durch Hetze und Eingriffe in die Freiheit der Kunst unter Druck gesetzt werden, verpflichtet. In einigen der regionalen Erklärungen wird deshalb auch die kritische Überprüfung der Ausschlussmechanismen und die Stärkung der Diversität verlangt.

Wenn es gelingt, diese Ausschlussmechanismen auch innerhalb der Kultur zu verringern und echte Solidarität zu erreichen, kann den rechten Ideolog*innen und Aggressor*innen eine Kraft entgegengesetzt werden, die sich gerade durch deren Angriffe deutlich vergrößert, weil zusammengeschlossen hat. Die „Glänzenden Aktionstage“ am Tag der Befreiung und am Europatag können das zeigen. Dass beispielsweise der rechte Schriftsteller Uwe Tellkamp sich nach langem Schweigen zu politischen Fragen erstmals wieder öffentlich äußerte mit einer Kritik an der Erklärung der VIELEN, die er als moralischen und intellektuellen Bankrott der Unterzeichnenden brandmarkte, ist als eine Auszeichnung zu werten und als Hinweis darauf, dass die Initiative den rechten Strategien echte Sorgen macht.

Autor*innen

  Corinne Eichner Vorstand Bundesverband Soziokultur e.V. corinne.eichner@soziokultur.de

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