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Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Soziokultur und von Anfang an wirken Frauen daran entscheidend mit. Ihnen widmet sich die aktuelle Ausgabe der SOZIOkultur.

Im Gegensatz zu vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Frauen in der Soziokultur von Beginn an tatkräftig am Aufbau von Einrichtungen und an der Entwicklung von Landesstrukturen beteiligt – auch in verantwortlichen Positionen. In Mecklenburg-Vorpommern hoben Gerlinde Brauer-Lübs und Brigitte Schöpf den Landesverband aus der Taufe und leiteten ihn viele Jahre. In Nordrhein-Westfalen startete schon Anfang der 1990er Jahre ein Unterstützungsprogramm für Frauen als verbindliche Grundlage für alle Mitgliedszentren. Das Kulturbüro Rheinland-Pfalz stieß mit Unterstützung des Ministeriums ein Mentoringprogramm für Künstlerinnen an. Und in Baden-Württemberg erkämpften die soziokulturellen Akteurinnen hartnäckig ihre Mitwirkung auf Landesebene.

Auch in den Zentren sind Frauen auf allen Ebenen und oft in Leitungsfunktionen aktiv. Eine von ihnen ist Sevgi Demirkaya, Geschäftsführerin des Kulturbunkers in Köln-Mülheim. In dem Stadtteil, in dem mehr als 50 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte haben, setzt sie sich für Partizipation und Teilhabe ein und hat erreicht, dass sich die Bevölkerungsstruktur auch im Programm niederschlägt. Wie sich Frauenprojekte im Düsseldorfer zakk seit den 1980er Jahren entwickelten, beschreibt Christine Brinkmann. Handlungsspielräume von jungen Frauen und Queers zu erweitern, ist Anliegen des M*Treffs in Köln. Die Fraueninitiative Magdeburg übernahm das soziokulturelle Zentrum Volksbad Buckau in Magdeburg. Kreativen Safe Space bietet das Kulturzentrum Schlachthof in Bremen. An Frauen und Transgender-Personen richtet sich das Projekt „Push Forward“ des Karlstorbahnhofs in Heidelberg. Einen queer-feministischen Ort in Griechenland stellt Alex Dimitriou vor.

Dennoch: Große Häuser und Musikspielstätten werden bis heute fast ausschließlich von Männern geleitet. Und gerade in der Musikbranche sind Frauen strukturell benachteiligt. Um gewachsenen Machtstrukturen entgegenzutreten, hat sich in Stuttgart das Frauennetzwerk Women* of Music gegründet: Frauen musizieren gemeinsam, unterstützen sich solidarisch und initiieren austauschfördernde Veranstaltungsformate. Für diese Arbeit sind soziokulturelle Zentren wichtige Anlaufpunkte.

Dass Kunst und Kultur als Plattform für Partizipation, Interaktion und Inklusion Frauen den Raum bieten, sich zu begegnen, sich auszutauschen und Kraft daraus zu schöpfen – diesen emanzipatorischen Anspruch von Soziokultur betonen Hanne Bangert und Niki Kasis. Ihn zu erheben und umzusetzen, ist heute anders, aber noch genauso wichtig wie vor einem halben Jahrhundert.

Das und noch mehr lesen Sie in der aktuellen SOZIOkultur.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek eröffnet die digitale Programmkonferenz „Kultur macht stark: Chancen, Teilhabe, Perspektiven“ am 21. April 2021 mit einer guten Nachricht: Das erfolgreiche Programm wird von 2023 bis 2027 fortgesetzt.

Kommunale Netzwerke im ländlichen Raum

Die Konferenz ist gut besucht und wird live gestreamt. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis werden diskutiert, Themen sind zum Beispiel Diversität in der kulturellen Bildung, der Umgang mit digitalen Medien oder kommunale Netzwerke für kulturelle Bildung im ländlichen Raum. Prof. Dr. phil. Stephan Beetz, Soziologe an der Hochschule Mittweida, konzentriert sich in seinem Beitrag auf die Fragen: Sind ländliche Räume etwas Besonderes? Was wirkt bewahrend, verändernd; was erzeugt Brüche und Differenzen vor Ort und was kann die Rolle von Kommunen sein?

Kultur macht auch im ländlichen Raum stark

Im Workshop „Wie können die das schaffen? ‚Kultur macht stark‘-Projekte im ländlichen Raum am Beispiel der Soziokultur“ wird die Frage, ob Kultur nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land stark mache, mit einem ganz klaren Ja beantwortet – Zahlen aus der programmbegleitenden Evaluation[1] zeigen, dass 98 Prozent aller Kreise und kreisfreien Städte in allen Bundesländern und knapp eine Million Teilnehmende mit erschwertem Zugang zu Kunst und Kultur durch das Programm erreicht werden. Das sind pro 100 000 Kinder und Jugendliche 82 Einzelprojekte im städtisch geprägten Raum, aber auch 72 Projekte in ländlichen Kreisen. […]

Der ganze Artikel ist nachzulesen hier und in der Zeitschrift SOZIOkultur zum Thema KOMMUNE.

 

[1] Prognos AG, Zwischenbericht www.prognos.com/de/projekt/zwischenbericht-kultur-macht-stark-buendnisse-fuer-bildung

Soziokultur ist vor allem eines: Kultur vor Ort. Ob in der Metropole, Kleinstadt oder ländlichen Gemeinde – Zentren und Initiativen wirken in ihren Kommunen und gestalten das Zusammenleben mit. Wie das konkret aussieht, zeigt die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift SOZIOkultur.

Corinne Eichner und Carsten Nolte blicken auf die aktuelle Lage. Sie heben das Miteinander hervor, und betonen, wie wichtig soziokulturelle Angebote gerade jetzt sind, denn sie führen zu stabilen Bindungen, Kommunikation und Verständnis in den Kommunen – und damit gerade dort, wo die Umbrüche stattfinden.

Als Kulturberaterin ist Elke Flake mit der Soziokultur bestens vertraut und als Ratsmitglied mit der Kommunalpolitik. Sie unterstreicht die Notwendigkeit kommunaler Förderung der Soziokultur und gibt Tipps, wie es dieser gelingt, dafür die Voraussetzungen zu schaffen.

„Immer rein ins Getümmel“, rät Jörg Stüdemann. Aus der Soziokultur kommend, ist er heute Kulturstadtrat und Kämmerer in Dortmund. Er sieht die Gemeinsamkeit im Engagement von Kultur und Politik für ein besseres Leben in der Kommune und ermuntert die Soziokultur, sich mehr einzumischen.

Seit mehr als 20 Jahren kämpft die soziokulturelle Szene in Duisburg um einen Ort in der Stadt. Nun hat sie ihn mit dem Stapeltor 6 endlich gefunden: nach häufigem Scheitern, dank hartnäckigem Engagement und endlich offener Ohren im Rat.

Auch die laufenden Förderprogramme des Bundes kommen Soziokultur UND Kommunen zugute. Hans Hüller, Bürgermeister der Gemeinde Witzin in Mecklenburg, beschreibt, wie Kultur die Menschen zusammenbringt. Mithilfe von LAND INTAKT konnte eine alte Skaterhalle zu einer modernen Multifunktionshalle umgebaut werden.

In Kassel arbeiten das Umwelt- und Gartenamt und das Kulturzentrum Schlachthof eng zusammen. Im Rahmen des UTOPOLIS-geförderten Nachbarschafts-Kunstprojektes „Hier im Quartier“ konnten über partizipative Methoden Ideen zur Freiraumplanung der Stadt gesammelt und Menschen in der Pandemie direkt erreicht werden.

Das Beispiel der Lagerhalle Osnabrück zeigt, welch wichtige Rolle die Kulturförderung der Kommune spielt. Der Rat der Stadt machte den Zugang zum Förderprogramm NEUSTART KULTUR und damit den Einbau einer Lüftungsanlage möglich, indem er den städtischen Anteil erheblich aufstockte.

Bei Jugend ins Zentrum! stellen immer mehr kommunale Einrichtung Projektanträge für Ferienworkshops, weil die Förderung von Kurzformaten in 2021 und 2022 deutlich vereinfacht werden konnte.

Zwei vom NEUSTART Sofortprogramm geförderte Einrichtungen ziehen ein Fazit nach eineinhalb Jahren Pandemie: Die Alte Papierfabrik Greiz e.V. fordert die Stärkung des Ehrenamts, das Kl!ck Kindermuseum in Hamburg wünscht sich, dass Kinder und Jugendliche vermehrt an kommunalen Entscheidungen beteiligt werden.

Die Pandemie ist hoffentlich vorüber, aber die zu lösenden Aufgaben kommen erst – nicht nur für Wirtschaft und Handel, auch für die Demokratie. Die Soziokultur kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten – und die Kommunalpolitik ist gefragt, dies zu unterstützen. Je enger sie zusammenwirken, desto besser wird es gelingen.

Das und noch mehr in der aktuellen SOZIOkultur zum Thema KOMMUNE.

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Bayern betont immer wieder gerne, ein Kulturstaat zu sein, und ja mei, von mir aus: Kultur ja, … aber Soziokultur? Was war das gleich noch mal? Es hakt.

Als einziger soziokultureller Landesverband bundesweit haben wir, die LAG Soziokultur Bayern e.V., bis heute keine richtige Geschäftsstelle, bekommen keinerlei institutionelle Förderung und arbeiten daher rein ehrenamtlich. 2017 haben wir einen Antrag „Zur Einrichtung und Unterhaltung einer Landesgeschäftsstelle für die LAG Soziokultur Bayern mit der Aufgabe der Förderung, Beratung und Qualifizierung professioneller und ehrenamtlicher Kulturarbeit in Städten und dem ländlichen Raum Bayerns“ an das Bayerische Staatsministerium gestellt. Leider hat sich seitdem nichts getan. Ist es also schlicht die Behäbigkeit von Verwaltungen und öffentlicher Hand? Honi soit qui mal y pense …

Einzelberatungen und intensive Vernetzung sind uns wegen Pandemie und Personalmangel kaum möglich, die meisten Initiativen auf dem Land – gerade solche, die sich nicht im Speckgürtel von Städten und unter den warmen Fittichen der Kulturämter befinden – werden weiterhin ausschließlich ehrenamtlich gestemmt.

2018 initiierte die LAG Soziokultur das Projekt „CoKultur“, das sich besonders die Vernetzung von Akteur*innen und die Sichtbarmachung der Aktivitäten von Initiativen im ländlichen Raum zum Ziel gesetzt hat.

Zu „CoKultur“ gehört das Bestreben, den ländlichen Kulturraum in Bayern genauer zu sondieren, dabei auch die sicherlich angestaubte „strenge“ Definition der Mitgliedskriterien der LAG Soziokultur Bayern zu überprüfen und somit eine Mitgliedschaft zu erleichtern.

Neue Projekte und Kulturorte entstanden und entstehen in den Kleinstädten und Dörfern. Durch das Projekt „Co-Kultur“ lernten wir großartige Player*innen kennen: das „Projekt Else“ im Bahnhof von Münnerstadt zum Beispiel, ein soziokulturelles Projekt zur Leerstandsbelebung mit den Mitteln der Kunst, oder den Rio-Raum in Weiden, ein unabhängiger, diskriminierungsfreier, unkommerzieller und kollektiv gestalteter Freiraum. Zu Gast bei den Initiativen mit unserem Tool-Kit aus Methoden und Inhalten, dem „CoKultur-Koffer“, erlebten wir Ende 2019 bis Anfang 2020 einen riesigen Bedarf an Austausch und Begeisterung für kulturelles (Voran-)Treiben. Es gibt sie also, die Engagierten in der weiten Fläche Bayerns.

Doch die kleineren Initiativen im ländlichen Raum, die nicht strukturell gefördert werden und noch nicht auf einer pro- fessionellen Ebene arbeiten, können die bürokratischen Hürden kaum bewältigen. Anträge beim Kulturfonds Bay- ern sind auch ohne Corona sehr komplex.

Der Bundesverband Soziokultur e.V. verzeichnete für sein Programm LAND INTAKT ganze drei bayerische Anträge von deutschlandweit 167 Anträgen (Stand: 12.11.2020). Diese Zahl ist niederschmetternd gering. Mit mehr personellen Kapazitäten in der LAG Soziokultur hätten wir besser informieren, beraten und vernetzen können. Auch kleinste Initiativen, die nur aus wenigen Engagierten bestehen, hätten dann von dieser Strukturförderung profitieren können, die zwar wieder einmal keine Landesförderung, aber eigentlich genau auf die Bedürfnisse der neuen Initiativen zugeschnitten ist.

Wir freuen uns über die Nachwuchsszene Bayerns, die – gerade im ländlichen Raum – mit wenig Geld und unendlicher Kreativität Konzepte strickt und kulturelle Teilhabe ermöglicht. Für sie und alle soziokulturell Aktiven wäre es wichtig, stabile Strukturen auf Landesebene zu schaffen. Dafür brauchen wir die Unterstützung des Landes. Wir müssen neue Anläufe nehmen.

Häuser, in denen man sich treffen, lachen, tanzen, Kunst erleben und kreativ sein kann, sind gerade jetzt im Lockdown Sehnsuchtsorte. Ihnen, der bewährten Basis und Hülle soziokultureller Arbeit, widmet sich die aktuelle Ausgabe der SOZIOkultur.

Dass die Orte der Soziokultur Knotenpunkte in kommunalen Netzwerken bilden, umreißt Georg Halupczok. Als sogenannte Dritte Orte und „Facility Manager der zivilgesellschaftlichen Debatte“ sind sie für das Klima der Demokratie wichtig – gerade auch in der Pandemie. Christine Steiner und Thomas Putz beschreiben die unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Häuser in Ost und West und zeigen, wie sie sich in der Arbeit der Landesverbände in Baden-Württemberg und Thüringen niederschlägt.

Orte kultureller Selbstbestimmung

Viele soziokulturelle Zentren sind in Gebäuden beheimatet, die nicht für kulturelle Zwecke erbaut wurden: in Fabriken und Speichern, E-Werken und Schlachthöfen, Kirchen und Profanbauten. Ihrer Funktion enthoben werden sie – erträumt, erstritten und mit großem Engagement erarbeitet – zu Orten kultureller Selbstbestimmung. Ob in Trägerschaft der Kommune, als Vorhaben eines Vereins oder als private Initiative, immer wirken dabei Teams zusammen: Künstler*innen und Bauleute, Profis und Ehrenamtler*innen schaffen authentische Orte mit hohem Identifikationspotenzial.

So lenken Britta Velhagen und Team mit dem Tollhaus einen „Tanker“ in Karlsruhe und haben bei laufendem Veranstaltungsbetrieb über Jahre komplexe Bauvorhaben geschultert. Auch in Offenbach und Saarburg, Strodehne und Greifswald, Hamburg, Göppingen und unzähligen anderen Orten sind soziokulturelle Hotspots entstanden, die tagein, tagaus unterhalten und bewirtschaftet werden. Einmal mehr wird klar, dass die Aktiven Allrounder sind und sich mit großer Verantwortung in ihren Häusern auch den Herausforderungen der Architektur und Denkmalpflege, Instandsetzung und Modernisierung, Technik und Sicherheit stellen.

Die Gemeinde Schüttorf nutzt die Energie und Kompetenz der Soziokultur für die Gestaltung kommunaler Prozesse. Sie will ein Sanierungsgebiet entwickeln und zeigt mit dem Neubau eines soziokulturellen Zentrums, wie dieses als Impulsgeber wirken kann.

Förderprogramme des Bundesverbands

Das Anliegen mehrerer Bundesprogramme, die aktuell durch den Bundesverband Soziokultur umgesetzt werden, ist es ebenfalls, den Fortbestand soziokultureller Zentren und anderer Kultureinrichtungen zu sichern, die Ausstattung zu verbessern und die Programmarbeit zu gewährleisten. Die Zeitschrift belegt in Analysen und Zwischenbilanzen eindrucksvoll, was in den Häusern umgesetzt wird – Grund genug für einen zuversichtlichen Blick in eine Zukunft, in der wir uns hoffentlich bald wieder vor Ort treffen können!

Ihre Ute Fürstenberg und die Redaktion SOZIOkultur
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Zum Download hier die Ausgabe der SOZIOkultur zum Thema “HÄUSER”.

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Bild: Theater der Nacht, Northeim © TdN