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14.12.2020

#LOCKNROLL

Hessen: Die Herausforderungen bleiben. Soziokultur auch!? [Soziokultur im Ländervergleich, Teil 6]

Von: Bernd Hesse

Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.

Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.

Teil 6: Hessen

  • 2020 wurde ein realer Förderzuwachs erreicht.
  • Mut macht ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein im Krisenmanagement der Politik.

Landeskulturpolitisch lassen sich für Hessen bisher drei Meilensteine festhalten:
>>> 1993 – knapp zehn Jahre nach der Gründung der LAKS Hessen im Jahr 1984 – wurde der Landesetat Soziokultur eingerichtet. In den Folgejahren gab es einige leichte Steigerungen seiner Mittel.
>>> 2003 erfolgte im Rahmen der sogenannten „Operation Sichere Zukunft“ eine Kürzung. Anschließend stagnierte der Etat für die Dauer mehrerer Legislaturperioden. Das hatte im Jahr 2013 den öffentlichen Ausruf des „Hessischen KulturNotrufs!“ zur Konsequenz.
>>> 2016 startete schließlich das Modellprojekt Soziokultur.

Diese Vereinbarung ist nicht nur für die jüngere Historie, sondern auch für die Zukunft sehr bedeutsam. Ihr liegt – als konstruktive Konsequenz des „Hessischen KulturNotrufs!“ – ein mehrjähriger intensiver Entwicklungsprozess zwischen dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) sowie der LAKS Hessen unter großem Einbezug der Szene zugrunde. Anfang 2016 trat sie in Kraft.

Ziele des Modellprojekts sind insbesondere, „die soziokulturellen Zentren und Initiativen in ihrer Eigenständigkeit, ihrer kulturellen Arbeit und ihrer Qualifizierung zu stärken und die soziokulturellen Zentren und Initiativen als eigenständigen Förderbereich der Kultur- und Landespolitik zu identifizieren, zu institutionalisieren und weiterzuentwickeln. Neben der Förderung von Innovation und Impulsen stehen Kontinuität, Entwicklung und Nachhaltigkeit im Vordergrund der Förderung.“

Dieses starke Bekenntnis des Landes stellte eine beachtliche Weiterentwicklung der Förderphilosophie dar.
Wichtigste Eckpunkte sind: Die soziokulturellen Zentren werden in ihren Strukturen gestärkt. Die Fördergelder sind flexibel und ganzjährig für die konkreten Bedarfe vor Ort verwendbar, also auch für Personal, Betriebskosten, Aus- und Fortbildung und natürlich Programmkosten. Antragstellung und Nachweisverfahren sind deutlich vereinfacht. Das Förderverfahren wird über die LAKS abgewickelt. Die Förderhöhen werden über ein mit der Szene entwickeltes kriterienbasiertes und von HMWK und Rechnungshof befürwortetes Vergabemodell berechnet. Der Wechsel der Förderphilosophie wurde parallel auch glaubhaft fördertechnisch untersetzt: So wurde die Landesförderung von 350.000 Euro in 2013 in mehreren Schritten auf 1,46 Millionen Euro in 2020 nachgezogen. Erst mit dem letzten Schritt – also nach mehr als einem Vierteljahrhundert! – wurde endlich auch ein realer Förderzuwachs auf durchschnittlich 28.562,50 Euro je Einrichtung erreicht.

Was bringt der nächste Meilenstein? Einen massiven kulturpolitischen Rollback? Oder – Zeiten der Krise sind Zeiten der Gestaltung – eine zukunftsorientierte (Neu-) Orientierung und trotz angespannter öffentlicher Haushalte eine kluge, zukunfts- und ressourcenorientierte Ausrichtung? Dieser Beitrag entsteht Mitte Mai, belastbare Prognosen sind schlicht nicht möglich.

Beim Abwägen und Ringen um Entscheidungen und Entscheidungsprozesse in diesen außergewöhnlichen Zeiten nehmen wir ein sehr hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei den Fraktionen und handelnden Personen sowohl in Regierung als auch der Opposition und den Ministerien wahr. Das macht uns Mut.

Denn klar ist: Gesellschaftliche Herausforderungen werden lange Zeit bleiben, sehr wahrscheinlich sogar teils drastisch zunehmen. Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit soziokultureller Zentren als verlässliche, wirkungsvolle und gemeinwohlorientierte Akteure regionaler Kultur- und Bildungslandschaften, aber auch als gesellschaftlich relevante Diskurs- und Vermittlungsinstanzen ebenso.

Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik ist Demokratiepolitik.

Es spricht also viel dafür, den mit dem Modellprojekt Soziokultur eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu entwickeln.

(Stand 20. Mai 2020)

Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.

Autor*innen

  Bernd Hesse Geschäftsführer der LAKS Hessen

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